Erstkontakt mit dem Kollegen/Kolleginnen der Abteilung Gynäkologie und Mammachirurgie des „Republican Scientific Oncology Centre“ (Cancer Center = CC) in Dushanbe. Das Cancer Center ist die wichtigste Institution zur Behandlung von Krebspatienten in Tadschikistan. Es bestehen Mängel in der Versorgung von Krebspatienten, sowohl bezüglich der chirurgischen Behandlung, aber auch bezüglich der Chemo- und Radiotherapie. Jährlich erkranken in Tadschikistan 6500 Personen an malignen Tumoren und 4200 sterben daran. Das Magenkarzinom ist mit 1200 Fällen pro Jahr (18.5% aller Krebserkrankungen) das häufigste Malignom. Bei der Frau steht das Mammakarzinom mit über 800 Neuerkrankungen pro Jahr an erster Stelle, gefolgt vom Magen- (14%) und Zervixkarzinom (7.9%). Bislang existiert in Tadschikistan kein landesweites systematisches, sondern nur ein opportunistisches Screening für das Zervix- und Mammakarzinom, weshalb zahlreiche dieser Malignome erst in fortgeschrittenen Stadien zur Behandlung kommen. Die öffentliche Finanzierung des Gesundheitssystems ist gering, über 70% der Gesundheitskosten erfolgen durch «out of pocket payments» der Patienten, beispielsweise sogenannte „informal payments“ an die behandelnden Ärzte, aber auch Auslagen für spezielle Instrumente (Laparoskopie) und für Medikamente (Antibiotika, Chemotherapeutika).
Erste Eindrücke: Anlässlich des zweimal pro Woche stattfindenden Rapports im CC wurden die neu eingetretenen und operierten Fälle diskutiert, wobei die behandelnden Ärzte gelegentlich wegen Fehlern öffentlich blossgestellt wurden. Die Veranstaltung verkommt anstelle einer interdisziplinären Falldiskussion zu einer Strafaktion, was zu einer problematischen Fehlerkultur im CC führt. Auf der gynäkologischen Abteilung (25 Betten) des CC liegen Patientinnen mit Zervix-, Endometrium- und Ovarialkarzinom, aber auch mit seltenen Tumoren (Uterussarkom, Dysgerminom, Chorionkarzinom). Operativ (anlässlich der Assistenzen) zeigte sich, dass die Laparotomie und die Hysterektomie sehr routiniert durchgeführt wurden. Die erweiterte Hysterektomie und die pelvine Lymphonodektomie wurden nur ansatzweise und nicht mit der erforderlichen Radikalität durchgeführt. Vermisst wurden die Markierung der vaginalen Abtragungsränder bei der erweiterten Hysterektomie mit Jod und die sehr eingeschränkte Möglichkeit einer intraoperativen Schnellschnittuntersuchung. Auffällig war der Mangel an einigen Aspekten des gynäkologischen Grundwissens, das angeblich in „sovietischen“ Zeiten vorhanden gewesen wäre, aber zwischenzeitlich verloren gegangen sei. Ein Beispiel ist das Krankheitsbild der postmenopausalen Blutung. Die Ärzte und Ärztinnen der Gynäkologie wünschten sich Teaching und Instrumente für laparoskopische Eingriffe (und sogar Bücher betreffend Operationen mit dem Da Vinci-Roboter). Das Erlernen laparoskopischer Operationstechniken an onkologischen Patientinnen wurde aktuell seitens der SST nicht als prioritär erachtet.
Die Behandlung des Mammakarzinoms erfolgt am CC mittels Mastektomie und axillärer Lymphonodektomie. Beide Eingriffe werden mit grosser Routine und technisch korrekt durchgeführt. Eine brusterhaltende Therapie und eine Sentinel-Lymphonodektomie werden aber nicht durchgeführt. Eine präoperative histologische Sicherung von suspekten
radiologischen Befunden erfolgt ebenfalls nicht. Für die Nachbehandlung essentielle prognostische und prädiktive Parameter (Östrogenrezeptoren, Progesteronrezeptoren, Ki-67, HER2/neu) werden nicht, oder nur auf Kosten der Patientinnen auswärts (in Moskau) bestimmt.
Aufgrund der Erkenntnisse beim Erstbesuch in CC wurden folgende Schwerpunkte der SST-Mission definiert:
- Fortbildung betreffend postmenopausale Blutung
- Etablierung eines interdisziplinären Tumorboards
- Demonstration der operativen Technik von erweiterter Hysterektomie und pelviner Lymphonodektomie
- Etablierung der Schnellschnittdiagnostik
- Etablierung der Stanzbiopsie (Core-Biopsie) in der Diagnostik beim Mammakarzinom
- Etablierung der Bestimmung der prognostischen und prädiktiven Parameter beim Mammakarzinom
- Etablierung der brusterhaltenden Mammakarzinom-Operation und der Sentinel-Lymphonodektomie.
Die Kommunikation mit den tadschikischen Kolleginnen und Kollegen erfolgte auf Englisch, wobei besonders die älteren männlichen Kollegen auf eine Übersetzung in die Landessprache angewiesen sind. Farukh Soliev, ein Brustchirurg, der ausgesprochen gut Englisch spricht, steht während der ganzen Mission als Übersetzter zur Verfügung und trägt auch organisatorisch wesentlich zum Gelingen der Mission bei. Ein herzlicher Dank gebührt auch Mouazamma Dzhamalova (Mitarbeiterin des DEZA-Office in Dushanbe), die die SST-Mission wesentlich unterstützt und den Vortrag über die postmenopausalen Blutungen für die ca. 70 Zuhörer von Englisch simultan ins Tadschikische übersetzt. (Edward Wight)