Im Mai 2023 haben wir unsere erste, völlig selbständig organisierte Mentoring-Mission für tadschikische Hausärzt*innen durchgeführt. Tadschikische Bekannte haben uns dabei unterstützt. Die tadschikischen
Grundversorger*innen sind meist anfänglich skeptisch, da sie staatliche Kontrollen befürchten. Wenn sie nach kurzer Zeit realisieren, dass wir sie in ihrer schwierigen Tätigkeit der medizinischen Versorgung mit ihren begrenzt zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen möchten, sind sie jedoch sehr
interessiert und möchten uns gerne länger zur Mithilfe in ihrer Sprechstunde behalten.
Schwer behinderte Familienmitglieder werden in diesem Land von ihren Angehörigen zuhause unter äusserst einfachen Bedingungen gepflegt. Auch da ist die Unterstützung des Hausarztes gefragt. Besonders eindrücklich war der Besuch bei einer 40-jährigen Frau, welche vor 6 Monaten noch absolut
gesund war. Nach einer fieberhaften Erkrankung unklarer Ursache liegt sie in einem Bett im Wohnzimmer auf dem Rücken, zugedeckt mit einer leichten weissen Decke – zur Abwehr von Fliegen auch mit einem ganz dünnen Tuch über dem Gesicht. Die Frau hat die Augen geöffnet und bewegt diese
nach beiden Seiten. Das sind jedoch die einzig möglichen Bewegungen. Die Füsse sind bereits in leichter Spitzfussstellung fixiert, die Arme zeigen Kontrakturen in den Ellbogen- und Handgelenken.
Zur Nahrungsaufnahme ist eine Magensonde angebracht. Diese voll bettlägerige, schwer pflegebedürftige Frau wird von ihren Angehörigen vollständig zuhause gepflegt, gelegentlich in einem Tuch in den Vorgarten auf eine Liege gebracht, damit sie im Freien mehr Licht und frische Luft hat. Leider können wir zu dieser schwierigen Situation nicht viel beitragen. Wir loben die gute Pflege und geben Empfehlungen zur Bewegungstherapie zwecks Verminderung der Kontrakturen ab. Bereits am nächsten Morgen in der Früh organisiert der Bruder einen Physiotherapeuten, welcher die Familie in regelmässiger Bewegungstherapie instruieren wird. Dieser Besuch und die aufopfernde Hingabe der Angehörigen zur Pflege der Patientin hat uns erschüttert und schwer beeindruckt.